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#WomenAgainstBrexit: Mode als Protest-Statement

The English original of the interview is available here.

Brexit, und die Lügen und der Hass die sein Fundament bilden, haben bereits einen hohen Preis gehabt. Über die Auswirkungen auf EU Bürger in Grossbritannien, und Briten die in einem anderen EU Land leben, habe ich ja bereits geschrieben. Aber es besteht Hoffnung. Denn die Mehrheit der Briten will keinen Brexit. Junge Menschen wollen keinen Brexit. London, Schottland und Nordirland wollen keinen Brexit. Zudem muss alleine schon aus demokratischer Sicht die Möglichkeit bestehen, über den endgültigen Deal zu entscheiden, wenn dieser mit der EU vereinbart ist. Und genau darum ging es bei dem #PeoplesVote Protest in London am letzten Samstag. Eine halbe Million Menschen gingen in London auf die Strasse, um diese Forderung zu unterstützen. Sie waren aus allen Landesteilen angereist. Viele Briten kamen aus einem anderen EU Land dazu.

Wie bei jedem Protest trugen viele EU Flaggen und hatten Poster mit anti-Brexit Slogans dabei. Kleidung spielt aber auch immer eine wichtige Rolle bei Protesten, und genau darüber – Mode als Protest-Statement – sprach ich kürzlich mit Cathy von Demarcation Design, denn Cathy ist die Frau hinter den in Grossbritannien beliebten Stop Brexit T-Shirts. Daher kannte auch ich Cathy, aber so richtig gut kennengelernt haben wir uns über #WomenAgainstBrexit. Zwar gibt es Frauen, die sich gegen den Brexit stellen natürlich schon lange, aber seit einiger Zeit gibt es mehr Koordination untern ihnen. Und nachdem ich nach einem #WomenAgainstBrexit Event besonders viele frauenfeindliche Kommentare bekam war klar, dass die am besten mit dem richtigen Protest-Statement ausgehebelt werden sollten. Und so kam es zu den Designs einer Reihe von frauenspezifischen anti-Brexit T-Shirts – wie meinem Rosie the Riveter  T-Shirt.

Stop Brexit!

Brexit Mode Protest Statement Fashion People's Vote Demarcation Design

Tanja: Cathy, Du bist eine der #WomenAgainstBrexit. Warum kämpfst Du gegen den Brexit?

Cathy: Ich kämpfe aus verschiedenen Gründen gegen den Brexit. Ich lebte in Budapest, als das Britische EU Referendum stattfand; mein zweites Kind wurde dort geboren. Ich konnte nicht glauben, dass Menschen so bereitwillig dafür gestimmt hatten ihre (unsere) Leben weniger offen, weniger reich – im metaphorischen und wirtschaftlichen Sinn – zu machen. Ein Inselvolk, dass sich selbst noch mehr zu einem macht. Ich bin Britisch, aber ich ich bin auch bedingungslos Europäerin – dies ist Teil meiner Identität, macht mich aus. Ich teile die meiner Meinung nach sehr europäischen Werte der Toleranz, Inklusion, Vielfalt, Solidarität und eine Offenheit zur Welt und für andere Menschen. Wenn die Menschen wirklich gewusst hätten, welchen Schaden der Brexit Grossbritannien zuführen würde – wenn die Menschen gewusst hätten, wofür sie überhaupt stimmten – dann wäre das Referendum anders ausgegangen.

Tanja: Ja, das glaube ich auch. Die Leave Kampagne basierte ja eigentlich nur auf Lügen, Hass – und wie wir nun mittlerweile wissen – auch etlichen Regelverstössen und Manipulationen.

Cathy: Genau. Ich schätze zudem die wunderbaren Möglichkeiten, die sich durch das Recht der Freizügigkeit ergeben. Einige meiner Freunde kommen aus einem anderen europäischen Land, und haben Grossbritannien zu ihrer Heimat gemacht. Die Idee, sie nun von dieser Chance auszuschliessen – uns selbst auszuschliessen – ist mir unverständlich. Mitglieder meiner Familie leben in Neuseeland und haben Britische Pässe, um ihnen genau diese Chance ohne das Theater von Visas etc zu eröffnen. Wir wissen nicht zu schätzen, wie sehr uns andere Menschen um die Freiheiten und Möglichkeiten der EU Mitgliedschaft beneiden. Ich möchte, dass meine Kinder auch in der Lage sind diese Möglichkeiten zu nutzen, sie die gleiche wirtschaftliche Sicherheit haben, die die EU Mitgliedschaft meiner Generation gegeben hat. Und ich möchte ihnen nicht in 10 Jahren in die Augen sehen und sagen müssen, dass ich nur zusah als sie um ihre Rechte beraubt wurden.

Tanja: Ich glaube, dass das viele motiviert. Ist das auch der Grund, warum Du angefangen hast T-Shirts und andere Kleidung mit anti-Brexit Slogans zu machen?  

Cathy: Die T-Shirts waren zunächst nur ein ganz persönlicher Protest, der sich ausweitete. Im Sommer 2017 war ich so desillusioniert von der Situation, dass ich mir überlegte ich bräuchte ein T-Shirt mit einem grossen „Stop Brexit“ Slogan drauf. Ich habe überall gesucht, konnte aber nichts finden. Und so hab ich selbst 10 Designs gemacht, und sie auf T-Shirts drucken lassen. Die habe ich dann selbst immer überall getragen, um mich selbst besser zu fühlen. Und wann immer ich sie trug gab es Kommentare – vom Postboten, vom Nachbarn meiner Mutter, in der U-Bahn, überall in Kontinentaleuropa. Und da ging mir auf, dass es sehr wichtig ist im Alltag Widerstand zu zeigen – also nicht einfach nur auf den nächsten Protest zu warten, um da dann mal irgendein T-Shirt zu tragen. Ich trage meine darum jetzt, wenn ich in den Supermarkt gehe; im Urlaub; wenn ich meine Kinder zur Schule bringe; am Strand … wo auch immer. Jedes Mal kommt jemand und spricht mich zum Brexit an und so kommt man dann ins Gespräch. Meine Hoffnung ist, dass mein alltäglicher Protest dabei hilft klarzustellen, dass Brexit nicht unvermeidbar ist. Ich hoffe, andere Menschen dazu zu ermutigen auch Widerstand zu zeigen.

Tanja: Welche Rolle spielt Kleidung also als Protest-Statement? 

Cathy: Politisch inspirierte Protestkleidung hat eine lange Geschichte – von den Suffragettes die Lila trugen bis zu Katherine Hammenetts politischen T-Shirts aus den 1980er, die dass Bewusstsein über AIDS schärften. Kleidung ist eine behutsame Form des Widerstands; sie verhilft zur Handlungsfähigkeit, und kann auch einfach helfen, dass man sich besser fühlt. Ich lehne ab was unserem Land passiert und ich möchte, dass die Welt es weiss.

Tanja: Es der Welt zeigen, ja – da machen viele Briten, die gegen den EU Austritt sind, ja im Moment auch oft ein Statement mit ihren Passhüllen – „Don’t blame me, I voted Remain“! Aber ja, ich möchte auch, dass die Welt es weiss. Brexit ist ganz persönlich, und darum musste ich am Samstag natürlich auch als EU Bürgerin auf dem Protest dabei sein. Mein T-Shirt war da gleich auch das Protestposter. 

Brexit Mode Protest Statement Fashion People's Vote Demarcation Design

Cathy: Ja, auch gut sichtbar! Zur Protestkleidung allgemein muss ich sagen, dass für mich als Frau, als Feministin … also ich akzeptiere es einfach nicht, dass mir jemand sag, was ich tragen kann und was nicht. Man kann schon sehen, dass Leute das manchmal denken, wenn sie mich in den T-Shirts sehen. Glücklicherweise bin ich gegen sowas – und die Worte „wir treten aus“ die Brexit-Unterstützer gerne schreien – ziemlich immun. Die T-Shirts sind ein klares Statement, und so helfen sie dabei, Konversationen zu eröffnen (und vielleicht ein paar Menschen davon zu überzeugen, Brexit nochmal zu überdenken). Manchmal ist es unangenehm, aber zumeist sind die Kommentare die ich bekomme positive.

Tanja: Bei mir ist das ja leider oft nicht so. Denk an den Protest vom Samstag: da hielt ich kurz Dein #WomenAgainstBrexit Schild hoch, es gab ein Foto … und weil es in einem Twitter Moment landete unterhielt sich auf einmal halb Brexiter-Twitter über meine angeblich nicht vorhandenen Brüste. Oh la la … Frau und gegen den Brexit – die zumeist männlichen Brexit Hardliner mögen es nicht. Ein guter Übergang zu meiner letzten Frage: sich gegen den Brexit zu stellen ist nicht einfach. Was inspiriert Dich? Warum machst Du weiter?

Cathy: Gerade die vielen tollen Frauen, die ich aufgrund meiner Stop Brexit Kampagne kennengelernt habe, motivieren mich sehr. Und ich bin ganz einfach sehr davon motiviert etwas zu stoppen, dass ich als unglaubliche Ungerechtigkeit ansehe. Ich lerne jeden Tag sehr viel von so vielen – vielen die noch mehr geben und tun als ich. Aber ich muss manchmal auch einfach abschalten und von allem etwas zurücktreten – es ist wichtig, die Batterien aufzuladen. Aber ich fühle auch, dass wir auf der richtigen Seite stehen. Was auch immer passiert: ich habe es zumindest probiert, habe eine kleine Rolle dabei gespielt, hoffentlich etwas zu verhindern was einfach nur schädlich ist.

Tanja: Vielen Dank für das Gespräch, liebe Cathy. Leserinnen und Leser die gerne mehr erfahren möchten, Cathys Webseite ist Demarcation Design, und auf Twitter ist sie @DemarcationDSGN.

#PeoplesVoteMarch

Und hier zum Abschluss noch ein paar weitere Eindrücke vom Protest in London am 23. Juni 2018:

Brexit Mode Protest Statement Fashion People's Vote Demarcation Design

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